Ein neues Fieber ergreift die Finanzwelt: Initial Coin Offerings, kurz ICOs. Die Idee ist simpel. Startups und Unternehmen geben ihre eigene Kryptowährung aus, verkaufen diese an Investoren, und finanzieren damit blitzschnell ihre Geschäftsideen. Der Hype ist enorm. Allein 2017 flossen so über 4 Milliarden Dollar in neue Blockchain-Projekte. Das erinnert an den Wilden Westen: Schnelles Geld, neue Millionäre über Nacht.
Doch aufgepasst! Wo sich rasche Gewinne auftun, lauern auch Risiken. Bevor Sie Ihr Erspartes in dubiose Münzen stecken, sollten Sie wissen, worauf Sie sich einlassen. Was genau sind ICOs eigentlich? Wie funktionieren sie? Und lässt sich das Crypto-Gold tatsächlich so einfach schürfen, wie manche prophezeien? Wir klären auf.
Die Welt der Kryptowährungen
Bitcoin, Ethereum, Ripple. Alle reden von digitalen Coins und Tokens. Doch die Wenigsten verstehen, wie diese überhaupt funktionieren. In kurzen Worten: Kryptowährungen beruhen auf der Blockchain-Technologie. Das ist eine dezentrale Datenbank, die alle Transaktionen auf vielen Rechnern gleichzeitig speichert.
Dadurch wird sie fälschungssicher. Die Blockchain wird auch als das „Internet des Geldes“ bezeichnet. Sie soll eines Tages klassische Banken überflüssig machen. Klingt erstmal ganz schön kompliziert, aber im Grunde steckt ein genial einfaches Prinzip dahinter: Peer-to-Peer (P2P) Transaktionen ohne Mittelsmann.
Jeder kann mitmachen bei diesem neuen Finanzsystem. Man braucht dafür auch keine Bank mehr. Die Technologie regelt und kontrolliert alles dezentral und automatisch. Diese Idee elektrisiert die Köpfe von Millionen Menschen weltweit.
Eine Weltwährung für das Internet
Bitcoin is one of the best-known cryptocurrencies. It was launched in 2009 and was the first digital currency ever. The network is kept alive by thousands of computers. It runs software that uses complex calculations to “generate” new Bitcoins and verify transactions.
Man nennt diesen Vorgang „Mining“ – ähnlich wie bei Goldschürfern. Die maximal verfügbare Geldmenge ist beim Bitcoin auf 21 Millionen Coins begrenzt. Diese absolute Obergrenze ist ein wichtiger Unterschied zu regulären Währungen wie Euro oder Dollar. Dort kann eine Zentralbank nach Belieben neue Scheine drucken lassen. Crypto-Fans sehen im Bitcoin deshalb eine Art „digitales Gold“ – ein begrenztes Gut mit Potenzial zu immer weiter steigendem Wert.
Der Bitcoin ist allerdings noch mehr als nur ein neues Anlagegut. Er soll ein ganzes Bezahlsystem revolutionieren. Überweisungen gehen praktisch in Echtzeit und für minimale Gebühren über die Bühne, egal ob nach Europa, Asien oder Afrika. Das ermöglicht blitzschnelle, weltweite Transaktionen auch für Kleinstbeträge.
Für viele entsteht so eine globale Währung mit dem Potenzial, ganze Finanzindustrien umzukrempeln. Das weckt gewaltige Hoffnungen unter Bitcoin-Gläubigen. Und genau diese Begeisterung hat nun ein neues Phänomen entstehen lassen: Initial Coin Offerings, kurz ICOs.
Das Web 3.0 kommt
Experten sehen die Blockchain als Rückgrat eines dezentralen und freien „Web 3.0“. Im Silicon Valley spricht man auch gerne vom „Internet der Werte“, welches das bestehende Netz mit einem peer-to-peer Finanzsystem verknüpft.
ICOs sind ein wichtiger Treibstoff für diese Vision. Die Idee: Startups und Unternehmen geben ihre eigene Kryptowährung heraus, um damit blitzschnell Geld einzusammeln. Die digitale Münze dient als Finanzierungsmittel, ähnlich wie Aktien an der Börse. Nur eben auf Basis der Blockchain-Technologie. Die Ausgabe dieser „Coins“ nennt man einen „Initial Coin Offering“, vergleichbar mit einem Börsengang (IPO).
Investoren kaufen die neu geschaffenen Cyberdevisen meist noch vor der eigentlichen Unternehmensgründung. Sie geben also Geld auf gut Glück, nur auf Basis eines Versprechens. Dafür erhalten Sie im Gegenzug die gerade emittierten Coins selbst. Diese können die Investoren entweder langfristig halten oder später an Krypto-Börsen weiterverkaufen.
Ein erfolgreiches ICO-Projekt begünstigt also alle Seiten. Die Jungunternehmer erhalten blitzartig Startkapital, um ihre Geschäftsideen umzusetzen. Und die Investoren haben die Chance auf hohe Gewinne, sollte sich die digitale Währung nach dem ICO erfolgreich am Markt etablieren und an Wert zulegen. Kein Wunder, dass immer mehr Firmen auf diesen Zug aufspringen.
Die Goldgräberstimmung greift um sich
Im letzten Jahr erreichte der ICO-Markt ungeahnte Höhen. Laut einer Statistik der Website CoinSchedule.com sammelten Blockchain-Startups 2017 über 3,8 Milliarden Dollar ein. Zum Vergleich: Im Jahr davor waren es „nur“ rund 300 Millionen Dollar. Die Goldgräberstimmung greift also rasant um sich.
Besonders heiß her ging es im Spätsommer 2017. Allein im September flossen laut CoinSchedule 1,3 Milliarden Dollar in verschiedenste Krypto-Projekte. An manchen Tagen wurden über 150 Millionen Dollar eingesammelt. Zwei eindrucksvolle Zahlen, wenn man bedenkt, dass es ICOs in dieser Form erst seit 2013 gibt.
Missbrauchspotenzial für zwielichtige Geschäftemacher
Diese rasante Geldvermehrung weckt natürlich nicht nur Positives. Kritiker sehen in diesem Hype auch eine Spekulationsblase, die jederzeit platzen kann. Zudem warnen Experten, dass der komplett unregulierte ICO-Markt ein Paradies für Betrüger sei. Tatsächlich häufen sich bereits die Meldungen über unseriöse Machenschaften und Luftschlösser.
Bereits im Juli 2016 sorgte der Hongkonger Fintech-Konzern OneCoin für
Negativschlagzeilen. Die Firma versprach hohe Renditen durch Krypto-Trainingspakete und angebliche Mining-Server. Schnell stellte sich OneCoin jedoch als Schneeballsystem ohne echte Blockchain-Basis heraus.
Der womöglich größte ICO-Betrug passierte dann im April 2017. Damals verschwanden die Köpfe des Startups Maksim Zaslavksiy und Sirin Khaifatz mit über 300.000 Dollar ihrer Investoren. Die beiden Ukrainer hatten zuvor groß Werbung für ihr angebliches Blockchain-Investment gemacht.
Solche Vorfälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Branchenkenner warnen, dass der ideale Nährboden für Betrüger entstanden ist. Aufgrund der Technikgläubigkeit und Goldgräberstimmung investieren derzeit auch Laien viel Geld in undefinierte Projekte, ohne dabei Risiken richtig abschätzen zu können. Die Folge ist ein Schneeballsystem neuen Ausmaßes:
Unternehmen generieren verlockende Whitepaper mit Buzzwords wie KI, IoT oder Big Data. Sie preisen sensationelle Renditen an und schüren die Angst, etwas zu „verpassen“. Über glänzende Websites, Blogs oder Videos streuen sie geschickt ihren Coin als „die nächste Bitcoin-Killerapplikation“. Danach starten sie professionelle Marketingkampagnen und schalten bezahlte Promoter ein.
Das Resultat ist eine regelrechte Massenhypnose unter ahnungslosen Anlegern. Und wenn schließlich der ICO startet, fließen Millionen in die Taschen der Geschäftemacher. Nach kurzer Zeit ist das Unternehmen dann spurlos verschwunden und die Coins sind nichts mehr wert. So einfach kann der große Reibach sein, wenn niemand genau hin sieht.
Diese Gefahren sollte jeder im Hinterkopf behalten, der nun auch ein Stück vom Krypto-Kuchen abhaben möchte. Nur wer die Risiken versteht und das nötige Know-how besitzt, hat eine realistische Chance auf hohe Renditen. Blauäugig und kopflos Geld in jeden x-beliebigen ICO zu werfen, kann aber genauso auch in einem Totalverlust enden.
Nicht alles ist Gold was glänzt
Auch wenn die Chancen verlockend erscheinen, sollten Investoren sich nicht von Hype und Marketingblendern täuschen lassen. Ein professionell gemachter Imagefilm, eine hübsche Website oder prominente Berater sind schließlich noch kein Garant für den Erfolg. Entscheidend ist immer die Substanz dahinter.
Experten empfehlen Interessenten daher genau nachzuforschen: Wer genau steckt hinter dem ICO? Wie ist das Team zusammengesetzt? Welche Erfahrungen können die Gründer vorweisen? Wurde ein konkreter Business Case mit potenziellen Einnahmequellen ausgearbeitet? Oder handelt es sich bloß um Buzzwords ohne Inhalt?
Weitere Fragezeichen sind auch das Timing und die angepeilte Finanzierungssumme. Warum braucht das Unternehmen gerade jetzt so viel Geld? Wofür soll das Kapital konkret verwendet werden? Sind diese Pläne auch realistisch? Lauter kritische Punkte, um herauszufinden, ob ein Projekt nur heiße Luft ist oder echtes Potenzial besitzt.
Die Technologie genau prüfen
Viele ICOs werben damit, auf einer eigenen, neuartigen Blockchain zu basieren. Das beeindruckt Laien. Doch ist das überhaupt nötig oder handelt es sich nur um Marketingsprech? Für jedes noch so kleine Projekt eine separate Cyberdevise nebst Blockchain zu launch, ist ohnehin fragwürdig. Ohne Users, Transaktionen und Dezentralisierung bleiben diese Coins Luftnummern ohne Wert. Um erfolgreich zu sein, braucht es ein stark wachsendes Ökosystem.
Zudem erfordert die Programmierung einer sicheren und skalierbaren Blockchain sehr viel Expertise und Erfahrung. Viele angebliche „Bitcoin-Killer“ entpuppten sich hier als Rohrkrepierer. Interessenten müssen also ganz genau prüfen: Wie genau funktioniert die zugrundeliegende Technologie? Wurde diese schon unabhängig untersucht oder geprüft? Oder verstecken sich nur leere Versprechungen dahinter?
Viele Fragen, die es vor einem Investment zu klären gilt.
Die rechtlichen Grauzonen kennen
Ein weiterer, wichtiger Aspekt ist die rechtliche Seite der Medaille. Bis dato bewegen sich ICOs in einer Grauzone ohne klare Regulierung. Die Politik hat die rasante Entwicklung hier kalt erwischt. Die erst seit wenigen Jahren existierende Finanzierungsform wirft eine Fülle ungeklärter juristischer Fragen auf:
Sind ICOs klassische Börsengänge? Oder eher eine Form von Crowdfunding? Sollte man sie als Wertpapiere einordnen oder als digitale Assets ganz eigener Natur? Wie behandelt das Finanzamt Gewinne aus derartigen Cyberdevisen? Und wenn ein Startup plötzlich mit Abermillionen Investment abhaut – drohen dann rechtliche Konsequenzen?
Solche Punkte müssen dringend geklärt werden, um internationale Standards zu schaffen. Ohne verlässliche gesetzliche Grundlagen bleiben ICOs ein Spielfeld für jedwede Art Betrug und Missbrauch. Auch für Investoren ist eine gewisse Rechtssicherheit essenziell.
Die Republik Belarus preschte 2017 vor und legalisierte ICOs – als erstes Land weltweit. Nun soll dort eine komplette „Krypto-Zone“ entstehen, um internationale Blockchain-Firmen anzuziehen. Ob dieser Weg Schule machen wird, ist noch offen. Auch Singapur, die Schweiz, Estland und andere versuchen, den neuen Markt durch attraktive Bedingungen zu umgarnen.
Bislang warnen aber die meisten Regierungen eindringlich vor den Gefahren von cyberbasierten Crowd Investments. Sowohl US-Behörden als auch die EU-Kommission arbeiten an strikteren Regeln. China und Südkorea haben ICOs 2017 sogar ganz verboten. Es bleibt also spannend, wie sich der gesetzliche Status dieses neuen Finanzinstruments weiter entwickeln wird.
Fazit
ICOs sind eine revolutionäre Alternative, um innovativen Startups die Tore zur Finanzierungswelt zu öffnen. Sie unterscheiden sich grundlegend von staubigen Bankkrediten oder mühsamen Börsengängen. Statt über Monate einen gewaltigen Berg an Papierkram zu erstellen, reicht beim ICO eine gutgemachte Website sowie ein Video. Die Basis bildet eine Blockchain-Infrastruktur mit cleverer Token-Technologie.
Innerhalb weniger Wochen können auf diesem Weg Millionen eingesammelt werden. Das schafft ungeahnte Möglichkeiten für junge Unternehmer. Gleichzeitig winken Anlegern hohe Gewinnaussichten durch den möglichen Wertzuwachs der neu geschaffenen Cyberdevise.
Doch dieser revolutionäre Ansatz hat auch seine Schattenseiten. Aufgrund der minimalen Regulierung lockt das ICO-Modell geradezu Betrüger und Abzocker an. Durch geschicktes Social Media Marketing, manipulative Verkaufstaktiken und leere Versprechungen lassen sich leicht Millionen einsammeln, ohne tatsächlich etwas dafür bieten zu müssen. Dieser Bitcoin-Goldrausch zieht leider auch viele zwielichtige Geschäftemacher an.
Fazit ist also, dass Privatinvestoren hier große Vorsicht walten lassen müssen. Nur wer die Technologie wirklich versteht, die Projekte und Personen dahinter ganz genau prüft und die juristischen Fallstricke kennt, der kann vom potenziellen Rendite-Tornado profitieren. Alle anderen riskieren unter Umständen ihr gesamtes Investment zu verlieren. Trotz aller Strudel der Begeisterung bleibt kühler Kopf also das Gebot der Stunde.